AMPO Ouagadougou
Einmal selber Afrika erleben
FSJ-PROJEKTREISE Februar 2019
Ich heiße Simon Thoböll und mache seit September 2018 ein FSJ beim Sahel e.V. Um mich mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut zu machen, die Menschen in Burkina Faso kennen zu lernen und so die Auswirkungen unseres Handelns in Afrika besser zu verstehen, reise ich im Februar für drei Wochen nach Burkina Faso. Ich bin schon sehr gespannt und kann es kaum erwarten, endlich dort anzukommen. Meine Eindrücke und Beobachtungen werde ich hier regelmäßig veröffentlichen.
Anreise:
In die USA zu fliegen dauert etwa 11 Stunden, nach Neuseeland sogar noch mehr. Doch nach gerade einmal fünf Stunden bin ich auf einem anderen Planeten gelandet. Schon an der Flugzeugtür wird man von der afrikanischen Hitze fast erschlagen. Während der Autofahrt zum Gelände von AMPO lerne ich, warum Strecken und Entfernungen hier in Fahrzeit und nicht in Kilometern angegeben werden: Die Sandstraße ist voller Löcher und Unebenheiten, sodass man ständig ausweichen und abbremsen muss, um nicht allzu stark im Fahrzeug herumgeworfen zu werden.
05. und 06. Februar 2019
Ich bin Sophie Mathar und werde als Praktikantin, gleichzeitig mit Simon, drei Wochen bei AMPO verbringen. Mein Vater, Peter Mathar, der seit vielen Jahren im Vorstand des Sahel e.V. tätig ist, erzählte mir jedes Jahr von seinen Reisen nach Burkina Faso. Und endlich ist es für mich soweit, die Menschen und Projekte kennenzulernen, die von Deutschland aus unterstützt werden.
Dénis Yameogo, Generaldirektor von AMPO und Marthe Sanogo, Dirketionsassistentin, haben das „Glück“, uns um 2 Uhr morgens am Flughafen in Ouagadougou abzuholen, nachdem wir in Brüssel unseren Flug verpassten und erst Stunden später über Casablanca weiterfliegen konnten. Als wir das Flughafengebäude Richtung Parkplatz verlassen, kommt mir erstmal staubige Luft und ein beißender Geruch entgegen. Den Gestank, der mir zuerst den Atem genommen hatte, habe ich schon am nächsten Tag nicht mehr wahrgenommen und darüber bin ich sehr froh.
Nachdem wir ausgeschlafen haben, sind wir erstmals tagsüber auf den Straßen unterwegs. Am Tag ist sehr viel mehr los auf den Straßen und so finde ich mich immer wieder an der Fensterscheibe des Autos klebend, um von dem Trubel auf den Straßen möglichst viel mitzubekommen. Zwischen den stehenden Autos und Mopeds wird einem wirklich alles verkauft. Um uns langsam an das Klima zu gewöhnen, besuchen wir zunächst einen kleinen Park außerhalb Ouagadougous mit Schwimmbecken, Freizeitangeboten und verschiedenen Snackbars.
Am nächsten Morgen treffen wir Katrin Rohde zum gemeinsamen Frühstück im Restaurant Mam Dunia, das zu AMPO gehört. Danach fahre ich mit ihr in die Stadt, um Stoffe und Lampen zu besorgen. Dazu kommt dann noch ein Spiegel und Erdbeeren, die uns bei jedem Schritt angeboten werden. Hier kennt jeder Katrin Rohde und so wollen alle, dass Sie von ihm kauft.
In unserer ersten Woche besichtigen wir alle Projekte, in denen uns von den netten Mitarbeitern vor Ort alles erklärt wird.
07. Februar 2019
Simon: Zuerst besuchen wir das Projekt P.P. Filles. Dort wird vor Ort Aufklärungsarbeit geleistet und Projekte für die umliegenden Regionen geplant, wie etwa das Cine-Mobil. Außerdem haben kleine Gruppen von Frauen hier die Möglichkeit, Kredite zu bekommen, um z.B. ein eigenes Gewerbe zu beginnen. Da viele Frauen nicht schreiben können, werden die Verträge auch mit Fingerabdrücken „unterschrieben“.
Am Nachmittag haben wir Zeit für eigene Expeditionen, wie der Besuch des Manega Museums, wo verschiedene Traditionen der unterschiedlichen Ethnien dargestellt werden. Hier können wir uns die traditionellen Hütten und Häuser einiger Ethnien genauer anschauen. Die Anfahrt gestaltete sich schon abenteuerlich, denn wie so oft geht die schöne, asphaltierte Straße schnell zur hügeligen Erde über.
08. Februar 2019
Sophie: Heute nimmt uns Edouard, der Leiter der mobilen Rollstuhlwerkstatt, mit. Er fährt regelmäßig raus in die Dörfer, um Ersatzteile für seine berühmten Rollstühle zu verkaufen. Der Termin hat sich wohl schnell herumgesprochen, denn vor uns hat sich das ganze Dorf versammelt. Wir werden singend empfangen und auch der König des Dorfes setzt sich zu uns. Ausgerechnet neben mich, ich weiß gar nicht, wie ich mich zu verhalten habe und so lächele ich ihn nur schüchtern an, während er auf Mooré seine Rede hält.
Es dauert Stunden, bis sie alles an die richtigen Leute verteilt haben, zwischendurch erzählt Edouard uns von den Schicksalen einiger Menschen. Dann wurden Reifen geflickt, wo Simon Geschicklichkeit bewies und Kleider- und Reisspenden verteilt. Bei letzterem wird wieder eine Liste abgearbeitet. Jeder bekommt gleich viel. Der übrig gebliebene Sack Reis wird für eine Feier aufgehoben, die bald in dem Dorf stattfindet.
Wir werden gebeten, uns auf dem Rückweg eine Schule anzusehen, deren Dach wohl dringend erneuert werden muss. Kurz darauf kniete ich in einem der drei Klassenzimmer, denn bei dem Versuch hineinzugehen, kam mir ein wenig Stroh des niedrigen Daches entgegen. Die Kinder nahmen alle schnell wieder Platz, als wir Richtung Eingang gelaufen kamen. Edouard stellt sich direkt vor die Tafel und einige Kinder singen die burkinische Nationalhymne. Es ist herrlich dabei zuzusehen, wie sich die Schüler der Parallelklassen durch alle Spalten quetschen, um ja nichts von dem kurzen Besuch zu verpassen.
10. Februar 2019
Am Sonntag begleiten wir einige schwer traumatisierte Kinder aufs Land zu einer Reitstunde. Auf den Pferden können die Kinder eine Reittherapie machen, die von dem bei AMPO tätigen Psychologen unterstützt wird.
Mit einem der AMPO-Autos geht es morgens los. Da natürlich nicht alle Kinder in die kleine Fahrerkabine passen, sitzt der Großteil auf Bänken auf der Ladefläche. Kurz vor dem Ziel müssen wir die Fahrt kurz unterbrechen, um eine Herde Rinder über die Straße zu lassen.
Nacheinander und immer unter Aufsicht des Reitlehrers drehen die Kinder ihre Runden über den Reitplatz. Währenddessen erklärt mir der Psychologe, woran er erkennt, ob die Therapie wirkt oder nicht: Einige Kinder, die sich anfangs nicht einmal trauten, das Pferd zu berühren, galoppieren später wild im Kreis.
Nebenbei werden die Tangelo-Bäume auf der Farm „geplündert“. Der Tangelo-Baum ist ein Zitrusbaum, dessen Früchte aussehen wie Limetten, aber deutlich süßer schmecken.
12. Februar 2019
Wir sind wieder unterwegs: Die nächsten Tage werden wir auf Mia-Alma verbringen. Mia-Alma ist ein Projekt für Mädchen und minderjährige Mütter, die hier für zwei Jahre versorgt werden und eine schulische oder berufliche Ausbildung machen können. Das Gelände wirkt wie eine Oase in der Wüste: Auf dem ganzen Gelände wachsen Blumen, Bäume und Kräuter, junge Mütter spielen mit ihren kleinen Kindern, ständig wird gelacht, getanzt oder gesungen. Das Haus bietet Schutz für junge Frauen und Mädchen, die von ihren Familien verstoßen wurden oder vor Menschenhandel oder Zwangsheiraten geflohen sind. Trotz der schrecklichen Geschichten, die jede hier erzählen kann, ist die Stimmung heiter!
Hier lernen die Mädchen, auf eigenen Beinen zu stehen: Sie gehen zur Schule, lernen kochen und schneidern und wie sie ihre Kinder ernähren und erziehen.
13. Februar 2019
Sophie: Mittags fällt mir das Schlafen in meinem nicht klimatisierten Zimmer wegen der Hitze sehr viel schwerer als abends, wo ich mir draußen sogar etwas überziehe. Also wird die Mittagspause zum Lesen und Schreiben genutzt.
Da Mia-Alma an keiner Hauptstraße liegt, wie unsere Gästezimmer im Hauptobjekt von AMPO, dachte ich, dass ich problemlos ohne Ohrenstöpsel schlafen kann. Doch ich wurde eines besseren belehrt, als ich einige Male von einem Hahn geweckt wurde, der anscheinend nicht weit weg von meinem Fenster lebt und der entweder selbst gar nicht schläft oder sehr, sehr früh wach ist.
Nachdem ich gestern mit den Kleinen, die uns heute direkt zum Fühstück abholten, im Kindergarten gespielt hatte, nahmen die Mädchen mich heute mit in die Schneiderei, wo sie mir geduldig zeigten, wie man eine Mütze häkelt und wie man mit den alten Nähmaschinen umgeht. Nach kleinen Erfolgen machte ich immer wieder die gleichen Fehler und so setzte sich immer wieder eine andere zu mir, die es mit mir von vorne versuchen wollte.
14. Februar 2019
Simon: Nach einer kurzen, holprigen Autofahrt halten wir mit dem CINEMOBIL am Rand eines kleinen Dorfes. Dort haben sich bereits einige Menschen versammelt, die uns freundlich begrüßen. Das Team vom CINEMOBIL arbeitet eng mit PPFILLES zusammen und verbreitet deren Aufklärungsprogramm auf den Dörfern. Im Schatten eines Baumes sitzen etwa 30 Zuhörende und folgen konzentriert den kurzen Vorträgen.
Später wird dasselbe Programm noch in weiteren Dörfern durchgeführt. Dabei stößt man auch mal auf dubiose Naturheilmittel, die immer noch auf dem Land benutzt werden, und gegen allerlei Krankheiten helfen sollen.
15. Februar 2019
Simon: Man merkt sofort, dass auf der Lehrfarm TOND TENGA Jungen leben: Anders als bei MIA ALMA ist hier nichts mit selbstgebastelten Girlanden geschmückt und als ich ein paar Jungen bitte, einen Fragebogen für mich auszufüllen, heißt es sofort: „Und was hab ich davon?“ Momentan wird an vielen Stellen renoviert, daher schlafe ich auch nicht in einem der Gästezimmer, sondern in einer Art Betreuer-Zimmer. Ohne Licht, aber mit Bett.
Draußen leisten die Jungen täglich ein eigenes Pensum: Nur mit Muskelkraft erledigen die hier die gesamte Feldarbeit und schaffen es irgendwie in diesem harten Sandboden Pflanzen gedeihen zu lassen, und das ohne künstliche Düngemittel. Außerdem werden auf der Farm verschiedenste Tierarten gezüchtet: Vom Schwein, über Rinder und Ziegen bis hin zu Kaninchen und Schildkröten. Trotzdem bleibt Abends noch genug Zeit zum Fussball-Spielen.
16. Februar 2019
Sophie: Während Simon bei Tondtenga ist, verbringe ich noch eine Nacht bei den Mädels von Mia-Alma. Schnell haben einige mitbekommen, dass meine Hosen trotz Waschen nicht sauberer werden und so zeigt mir Diallo wie man wäscht. Wenig später schnappt sich ein Mädchen meine Hose und schlägt vor, dass ich das mit meinem Handy aufnehmen soll, damit ich nicht vergesse wie Waschen mit Waschbrett und Eimer funktioniert.
Auf dem neuen Spielplatz bin ich mit den Kleinen am liebsten. Die Schaukeln sind immer besetzt und der Sandkasten wird kreativ zum Auto umfunktioniert.
Heute werden Simon und ich wieder zurück zu den Waisenhäusern fahren. Nicht nur meine Bilder habe ich als Andenken, sondern auch kleine Souvenirs, wie Armbänder und bestickte Tücher, die die Mädchen in der Schneiderei für mich gemacht haben. Natürlich habe auch ich mich am Sticken und Flechten von Armbändern versucht, um auch etwas von mir da zulassen.
17. Februar 2019
Simon: Nachdem wir morgens wieder die schwer traumatisierten Kinder bei der Reittherapie begleitet haben, habe ich mich mit den Scouts von Ouagadougou getroffen. Ich habe mich schon länger gefragt, ob es hier überhaupt so etwas wie Jugendarbeit gibt, und da ich selber Pfadfinder bin, wollte ich die Gruppe unbedingt besuchen, und ihre Arbeit kennenlernen.
Ähnlich wie viele Jugendgruppen treffen sich die Scouts hier einmal in der Woche. Allerdings sind sie deutlich disziplinierter als ihre deutschen Kollegen. Das ist auch notwendig, denn neben ihren eigenen Gruppenaktivitäten leisten sie auch soziale Arbeit für die Gesellschaft, indem sie die Kommunalgemeinde unterstützen.
Ich werde von den Scouts mit offenen Armen empfangen, man stellt sich gegenseitig vor und tauscht die Halstücher aus. Eine sehr schöne Tradition, um sich an vergangene Besuche und Erfahrungen zu erinnern.
Anschließend besuche ich mit dem Chef der Scouts noch das Straßenkünstler-Festival „Rendez-vous chez nous“. Die Künstler des Künstlerkollektivs „ACMUR“ präsentieren dort viel Live-Musik, einen kleinen Kunsthandwerkermarkt und Akrobatische Kunststücke. Dabei steht eine etwa sechs Meter hohe Metallstange im Mittelpunkt, an der atemberaubende Kunststücke gemacht werden. Scheinbar mühelos erklimmen die Artisten die senkrechte Metallstange. Als Sicherung für die Artisten dienen dabei einige Matratzen, die um den Fuß der Stange ausgelegt sind.
19. Februar 2019
Sophie: Heute durfte ich bei Mariam und Asséta im Behandlungszimmer der Krankenstation dabei sein. Viele besorgte Mütter und Kinder kamen mit fiebrigen Kindern, denen Tabletten gegen Malaria gegeben wurden. Und ältere Menschen, die neue Medikamente brauchen und bei denen ich Fieber und Blutdruck gemessen habe. Schon um 13 Uhr waren wir mit allen Patienten durch. Damit hatte ich nicht gerechnet, als ich morgens an dem vollen Wartebereich vorbeikam. Hier wird eben schnell und effizient gearbeitet.
Simon: Während Sophie mit Mariam und Asséta Patienten behandelt hat, durfte ich zusammen mit dem Chirurgen Wunden behandeln und verbinden. Dazu gehören neben Verletzungen nach Unfällen auch die Nachbehandlung nach einer Operation. Außerdem durfte ich bei mehreren Patienten mit Ohr-Problemen die Ohren durchspülen. Es ist beeindruckend, dass hier so viele Patienten so schnell behandelt werden können. Man sieht den Leuten an, wie dankbar sie sind, wenn sie zu Fuß, auf Krücken oder im Arm der Mutter nach der Behandlung den Raum verlassen.
20. Februar 2019
Sophie: Zum Haus Linda, einem einzigen Raum direkt neben dem Mädchenwaisenhaus, kommen Mütter mit unterernährten Kindern, die hier zur Kontrolle regelmäßig gewogen und gemessen werden. Es gibt für die Kinder eine warme Mahlzeit vor Ort und dann wird noch Essen aufgeteilt, für das alle einen Topf oder Ähnliches mitgebracht haben um es nach Hause zu transportieren. Heute ist es Reis mit Bohnen.
21.Februar 2019
Sophie: So schnell sind die 3 Wochen wohl um, denn heute ist mein letzter Tag bei AMPO. Nachdem ich morgens gepackt habe, gehe ich mit Astrid zur Schneiderei, um meine bestellten Sachen abzuholen. Wir freuen uns schon auf heute Nachmittag, denn Michaels Eltern (Fotograf von DevelopMed.Aid) spenden ein Barbecue für die Kinder der Waisenhäuser und Mia-Alma und so kann ich alle noch einmal sehen.
Vorher essen wir aber erstmal um 13 Uhr mit den Jungen im Waisenhaus Mittag. Es gibt Reis mit Bohnen und das nicht wenig. Um 15 Uhr müssen die meisten für 2 Stunden wieder in die Schule und so legen sich viele nochmal hin oder machen Hausaufgaben. Zwischendurch kommt eine Lieferung von Möbeln und Körben für das Ladengeschäft in Plön. Und dann kommen auch schon die ersten Mädels von Mia-Alma, die eine ganze Ladung Trommeln dabei haben. Der Grill wird angemacht und die Ersten sind schon auf der Tanzfläche.
Am Anfang sind es nur Mädchen, bis Katrin die Jungs zum Tanzen bewegt, in dem Sie Ihnen sagt, dass nur wer tanzt auch was vom Gegrillten bekommt. Ich hab es nicht geschafft, mich hinter meiner Kamera zu verstecken und so werde auch ich unfreiwillig von einer Gruppe Mädels gepackt und nach vorne gebracht.
Dann wird gegessen und am Abend sitzen nur noch die Jungs und wir 3 Praktikanten. Um 20 Uhr gibt es sogar nochmal Spaghetti – was für unglaubwürdige Blicke ich immer bekomme, wenn ich meine halbe Portion grad so schaffe. Danach schnappen sich 2 Jungs unsere Kameras und machen fleißig Fotos. Wir haben einige Poser unter uns und so, immer was zu lachen.
Die Zeit vergeht schneller als mir lieb ist und langsam werden wir alle müde. Die Jüngsten schlafen schon auf den Bänken ein, bevor sie sich dann aufraffen und in ihre Zimmer gehen.
23. Februar 2019
Simon: Einige Wochen, bevor ich nach Afrika geflogen bin, machte mich meine Großmutter auf einen Artikel in den Lübecker Nachrichten aufmerksam. Darin wurde von der Lübecker Musiklehrerin Maria Behrens berichtet, die mit ihrer Geige nach Afrika gereist ist, und dort auf viel Begeisterung für das exotische Instrument stieß. Nachdem die Zusammenarbeit mit einer allgemeinbildenden Schule nicht zufriedenstellend funktionierte, gründete sie einfach selbst eine Musikschule mitten in Ouagadougou. Das fand ich damals schon total interessant, denn bisher dachte ich, dass afrikanische Musik überwiegend auf Rhythmus fokussiert ist, und Melodien keine große Rolle spielen. Da ist eine Geige natürlich ganz anders veranlagt. Ich wollte unbedingt herausfinden, wo man da mit dem Unterricht anfängt: Wie erklärt man Tonhöhen? Und Melodien? Arbeitet die Lehrerin mit Noten, oder mit anderen Systemen zur Darstellung der Töne?
In der letzten Woche habe ich die Musikschule besucht, und war begeistert. Ich durfte ein paar Töne auf einer Kora spielen, einem typisch afrikanischem Saiteninstrument – eins der wenigen Melodieinstrumente der afrikanischen Kultur. Die Kinder lernen mit einem Finger-System die Töne auf der Geige und können alle zusammen musizieren. Ich durfte auch gleich in dem kleinen Orchester mit dem Klavier mitspielen.
Und das viele Üben mit den Kindern zahlt sich aus: Mittlerweile gibt es schon eine CD, die von den jungen Musikern eingespielt wurde und einige Schüler sind schon im Radio und im Fernsehen aufgetreten.
Später gehen wir noch ins Stadion von Ouagadougou: Nachdem wir einige Sicherheitskontrollen und unzählige Militär-Posten passiert haben, dürfen wir endlich hinein! Dort findet heute die große Eröffnung des 50. Fespaco-Filmfestivals statt. Diverse Künstler treten auf und da Ruanda dieses Jahr im Fokus steht, tritt auch das Ruandische Staatsballett auf und präsentiert einen traditionellen Tanz in aufregenden Kostümen.
Anschließend wird der Präsident Burkina Fasos Roch Marc Kaboré begrüßt. Dazu erheben sich alle Zuschauer im Stadion und singen die Nationalhymne. Außerdem spielt noch eine Millitärkapelle mit. Schließlich werden noch unzählige Reden gehalten und einige kurze Filme über das Festival und seine Entwicklung seit der Gründung vor 50 Jahren gezeigt.
Wir fahren aber schon vor dem Abschluss-Feuerwerk nach Hause, weil wir direkt am nächsten Morgen den ersten Film sehen wollen.
25. Februar 2019
Simon:
Tja, das war’s jetzt erst mal: Unter mir sehe ich die Lichter Ouagadougous verschwinden.
Heute hab ich noch schnell meine neue Kleidung vom Schneider abgeholt, die restlichen FCFA wieder in Euros getauscht und mich von möglichst vielen Leuten verabschiedet. In den letzten
drei Wochen habe ich hier so viele nette und unterschiedliche Menschen kennengelernt: die Jungs mit denen ich auf Tond Tenga Schweine gefüttert habe, die jungen Frauen von Mia-Alma, die mir gezeigt haben wie man häkelt und mit einer Nähmaschine mit Fußantrieb umgeht, die Kinder aus den Waisenhäusern, die versucht haben uns More beizubringen, der Medinziner in der Krankenstation, mit dessen Hilfe ich Wunden verbunden habe, die Betreuer der Unterernährten-Station, bei denen ich gelernt habe, wie viel etwas Reis bewirken kann, der Fahrer, der mir stolz seine schwangere Frau vorgestellt hat, die Händler auf den Märkten, die uns ständig mit neuen Stoffen oder Kleidern bedrängt haben, die Kinder des Dorfes, in dem wir mit Edouard Rollstuhl-Teile verteilt haben, die Frau, die uns ihre Wunder-Medizin gebracht hat, als wir mit den Cine-mobil in ihrem Dorf waren, den kleinen Jungen, mit dem ich zusammen Klavier gespielt habe, als wir die Lübeckerin Maria Behrens in ihrer Musikschule besucht haben, den Chef der Scouts von Ouagadougou, der mir das Straßenkunst-Festival von ACMUR gezeigt hat, den Wachmann des Caritas-Zentrums OCADES, der unbedingt ein Foto von sich, vor der Statue eines Bischofs haben wollte…
Auch wenn ich zwischendurch das Gefühl hatte, die Zeit nicht gut genug zu nutzen (aber Pausen müssen bei diesen Temperaturen einfach sein), haben wir doch in den letzten drei Wochen verdammt viel erlebt. Obwohl wenn nur wenige Kontakte länger halten werden, bin ich froh, diese vielen Menschen kennengelernt zu haben. Burkina Faso hat für mich jetzt viele Gesichter, die für jede Unterstützung dankbar sind.