Aktuelles

Reisetagebuch Burkina Faso 2023

16.01.2023 - Anreise

Abfahrt in Richtung Flughafen um 3 Uhr morgens, das war der Einstieg in unsere Reise zu AMPO nach Ouagadougou, Burkina Faso. Wir flogen nach Brüssel, wo uns Regen und Sturm erwartete. Egal – wir mussten ja nicht raus. Am Flughafen in Brüssel trafen wir dann auf unsere drei Mitreisenden, die aus Frankfurt kamen.

Mit 45-minütiger Verspätung starteten wir gemeinsam nach Ouagadougou.

Wir überflogen die französische Küste, das Mittelmeer und die unendlichen Weiten der Sahara, bevor nach ca. 6 Stunden der Landeanflug auf Ouaga begann. Schon von oben konnte man erahnen, welche Luft uns dort erwartete: Roter Staub breitet sich wie eine große Glocke über der Stadt aus. Die Ankunft war im Tageslicht. Die Passkontrolle dauerte unerwartet lange, da vier Personen von uns – aus nicht nachvollziehbaren Gründen – von der burkinischen Polizei abgeführt wurden.

Die zwei übrig gebliebenen kamen ohne Probleme durch die Kontrolle. Es blieb nichts anderes übrig, als draußen unsere lieben Freunde, die Direktor:innen, zu informieren und zu hoffen, dass sie die Situation klären können. Inzwischen war es dunkel geworden.

Hitze, schlechte Luft, Hektik auf dem Parkplatz vor dem Flughafen, Aufregung wegen unserer Mitreisenden, erste Zigarette nach Stunden – mein Kreislauf war kurz vorm schlapp machen.

Sie kamen, und gemeinsam ging es dann zum Hotel, wo Katrin auf uns wartete.

Nun mussten wir erst einmal zur Ruhe kommen.

17.01.2023 - MIA/ALMA, Reha- und Krankenstation

Sehr früh wurden wir vom Hotel abgeholt. Man machte sich zu Recht Sorgen, dass wir die Mittagshitze nicht gut vertragen. So wurde das Programm auf den Vormittag und späten Nachmittag gelegt.

Die Gruppe teilte sich auf.

Der größte Teil besuchte die Kranken- und die Reha-Station. Der andere Teil nahm an der wöchentlichen Direktorensitzung teil, da es einige interne Dinge zu besprechen gab.

Aber niemand hat etwas verpasst. Der Teil der Gruppe stieß zur Besprechung später dazu, und gemeinsam schauten wir uns die Krankenstation an, die gerade erst um ein Stockwerk erweitert wurde.

Beeindruckend: Neue Behandlungsräume, sauberes Medikamentenlager, Verbandsstation, Gynäkologie, Augenoptik-Station usw. alles ist gut organisiert. Draußen und in den Warteräumen warten unzählige Menschen (meist Frauen mit ihren Kindern) auf eine Behandlung. Anschließend besuchten wir Haus LINDA, Projekt gegen Unterernährung. Die meiste Zeit folgte uns ein kleines Mädchen, die wir dort wiedertrafen. Im Projekt erfuhren wir von ihrem gesundheitlichen Schicksal. So jung, und schon ein künstlicher Darmausgang. Und das in einem Land wie Burkina Faso. Die Frage, wie diese Behandlung finanziert werden konnte, stellte sich mir erst 2 Tage später, als ich das ganze Ausmaß der gesundheitlichen Versorgung in diesem Land langsam begriff.

Es wurde heiß, und wir wurden von unseren zwei wunderbaren Fahrern zurück ins Hotel gebracht.

Und auf diesen Fahrten merkte ich immer mehr, wieviel sich verändert hat.

Kinder stehen am Straßenrand in der Hitze und dem Staub und der schlechten Luft und bitten um Geld. Es war vor 5 Jahren schon sehr viel Müll auf den Straßen, aber es ist noch schlimmer geworden. Wie sehr sich die Stadt verändert hatte, sollte ich am Nachmittag noch mehr merken.

Pause – Mittagessen im Hotel. Der Versuch zu ruhen. Ich weiß, dass es nicht sonderlich gut ist, Wasser zu verbrauchen und zu duschen, aber ich kann nicht anders. Ich möchte einfach diesen roten Staub von meinem Körper haben. Ruhe finde ich schon jetzt nicht mehr.

16 Uhr Abfahrt zum Frauenhaus MIA/ALMA. Nach ca. 20 Minuten verlassen wir die asphaltierte Straße und biegen in eine rote, staubige Straße mit riesigen Schlaglöchern ein. Es geht hier nur noch mit Geländewagen, anders ist die Strecke nicht zu bewältigen, sei denn Du hast ein Fahrrad oder ein Moped. Das Gelände von MIA/ALMA lag immer wie eine kleine Insel etwas außerhalb, mit wenig Nachbarschaft. Irgendetwas hat sich verändert: Mehr Hütten, mehr Müll, mehr Stände. Unterkünfte bestehen aus 4 Stöckern mit einem Wellblechdach und ein paar Decken als „Wände“. Ziegen fressen den Plastikmüll, der aus der Stadt geweht wird. Die Stadt breitet sich aus. Kein Wunder: Wohin sollen die Menschen, die aus den Dörfern vor dem Terror fliehen, auch hin?

Und dann öffnen sich die Tore zum Gelände von MIA/ALMA und man hat das Gefühl, man betritt eine Oase, des Friedens, des Schutzes, des Organisiertem, des Sauberem. Und wieder empfangen uns die jugendlichen Frauen mit ihren Kindern mit Gesang und Tanz als Zeichen des Dankes. Lucas, von DEVELOPmed.aid, gewinnt sofort die Herzen einiger Kinder. Seifenblasen … das ist es! Und wieder erkenne ich, wie wichtig dieses strukturierte und saubere Umfeld für die Mädchen ist. Sie dürfen lernen oder einer Ausbildung nachgehen, und die Erzieherinnen kümmern sich um die kleinen Kinder, die man ja nur noch auf den Arm nehmen möchte. Aber wahrscheinlich wirken wir Weißen eher wie Außerirdische, und keinesfalls möchte man diesen Kindern Angst machen.

Alles ist wie immer lustig und fröhlich – nur ein Punkt hat sich verändert: Es gibt einen neuen Direktor, der in die großen Fußstapfen von dem wunderbaren „Chouchou“ getreten ist. Er wird es schaffen! Chouchou kann noch nicht loslassen und war bei allen Gelegenheiten dabei.

Rückfahrt ins Hotel. Es dämmert. Und man sieht den Sonnenuntergang durch Smog und Staub …

18.01.2023 - TONDTENGA, Waisenhäuser, Ausbildungsstätte und Mikrokredite

Und wieder geht es früh los. Abfahrt zur Bio-Farm TONDTENGA (TT).

Ähnlich wie das Frauenhaus MIA/ALMA liegt TT etwas außerhalb. In meiner Erinnerung liegt das Gelände weitab von der großen Straße und hat keine nachbarschaftliche Umgebung. Vorbei ist dieser Eindruck. Hütten grenzen bis an das Gelände. Menschen in Not zapfen Strom von den Leitungen, die nach TT führen, ab. Die Mauer rund um das Gelände ist alt und brüchig. „Nachbarn“ steigen über diese Mauer und stehlen z.B. Solar-Panelen. Die Not ist einfach zu groß.

Wir treffen auf Jungen und neuerdings auch Mädchen, die hier die Möglichkeit haben, eine Ausbildung zu beginnen: biologischer Anbau und Viehzucht. Sie pflanzen kleine Bananenbäume, ernten Zitronengras und züchten u.a. Ziegen, Rinder und Geflügel. In die Ställe kommen wir nur, wenn wir unsere Schuhe desinfizieren.

Ich werde mutig und probiere Früchte, die an einem Baum wachsen. Dénis zeigt mir, wie man diese Früchte öffnet und isst. Lecker!

Zurück im „Zentrum“ des Geländes werden alle Schüler:innen zusammengerufen. Wir werden vom Direktor vorgestellt. Und dann spricht der Sprecher der Jugendlichen, und meine Tränen laufen. Alle, die anwesend sind, sind vor dem Terror in ihren Dörfern geflohen und nur knapp den Gräueltaten entgangen. Sie empfinden so unsagbare Dankbarkeit, dass sie auf dieser Farm sind, eine Ausbildung haben, Schutz, Kleidung und Nahrung erhalten. Ich merke den Unterschied über all das zuhause zu lesen, aber jetzt diesen Menschen gegenüber zu sitzen. Niemals werde ich ihre Angst, ihr bisheriges Leben nachvollziehen können. Ich höre nur mit unfassbaren Gefühlen zu.

Ich freue mich, dass wir ihr Essen teilen durften. Es gab Toê, ein Gericht, das man eigentlich nur mit Fingern isst. Ich stelle mich nicht gerade gut dabei an und brauche einfach einen Löffel.

Die bedrückende Stimmung löste sich, weil die Mädchen von TT unbedingt ein Foto nur mit uns Frauen machen wollten. Das war ihnen so wichtig, und es war schön, auch wieder lachen zu können.

Es wird heißer, und wir werden zurück ins Hotel gebracht. Mittagessen, duschen, ruhen wer möchte.

Nachmittags werden wir abgeholt um die Waisenhäuser, die Ausbildungsstätten und die Abteilung zur Vergabe von Minikrediten zu sehen.

Irgendetwas liegt in der Luft. Im Waisenhaus für Jungen wird kräftig geübt: Spielen auf dem Balafon, und auf dem eigentlichen Fußballfeld üben viele Jonglieren. Bei den Mädchen wird eine Tanz-Choreografie einstudiert. Alles für den Samstagabend, wenn wir im Waisenhaus das Barbecue haben.

Wir sehen die Ausbildung im Friseursalon. Hier entstehen die wunderbaren geflochtenen Frisuren und in der Schneiderwerkstatt wird nach Schnittmustern schneidern gelernt. Ähnlich wie im Frauenhaus MIA/ALMA, in dem zusätzlich noch Tischdecken, Servietten und Kleider bestickt werden.

Erstmals essen wir dann im AMPO-Restaurant Mam Dunia zum Abend. Es ist alles einfach nur lecker und für unsere europäischen Mägen ungefährlich.

Vorab habe ich die Möglichkeit die Abteilung für Katarakt-Operationen zu sehen. In der Dunkelheit warten ca. 20 Menschen vor der Krankenstation, um diese Operation zu erhalten. Nach der Operation darf kein Tageslicht an das operierte Auge kommen, deswegen starten diese Behandlungen erst um ca. 18 Uhr. Und wieder erreicht mich eine unendliche Dankbarkeit, die ich an die Spender des Mikroskops sofort weiterleite.

Besonders freue ich mich über das zufällige Zusammentreffen mit unserem Kooperationspartner Solidaritätskreis Westafrika, Vater und Sohn Simonis und dem Vorsitzenden der Deutsch-Burkinischen-Freundschaftsgesellschaft Christoph Straub, die ebenfalls gerade in Ouaga sind. Man trifft sich halt im Mam Dunia…

19.01.2023 - VIIMDE, Charles de Gaulle Kinderkrankenhaus und Rollstuhlwerkstatt

Nach dem Frühstück teilen sich die Gruppen. 4 Personen besuchen Begünstigte des VIIMDE-Projektes zuhause. VIIMDE betreut, berät und unterstützt HIV-infizierte Frauen. Fotos entstehen hier nicht. …

Wir haben zwei Familien besucht mit ganz unterschiedlichen Situationen. Die erste Familie hat das Projekt bereits abgeschlossen. Der hinterher gezahlte Mikrokredit konnte nicht zurückgezahlt werden. Nun wird überlegt, in welcher Weise dieser Familie weitergeholfen werden kann. Wir haben sie als sehr stilles und dankbares Ehepaar erlebt. Der Ort wo sie wohnen gehört nicht ihnen, sondern einem Verwandten. Sie selbst können sich nichts Eigenes leisten. Im kleinen Hof lag Müll, Wäsche hing über einer Leine. Das kleinste von drei Kindern war dort, gerade ca. 2 Jahre alt. Das älteste Kind ist 11 – sie alle wissen nichts von der Erkrankung der Eltern. Die Kinder sind alle gesund. Sollten die Nachbarn davon erfahren, würde jeder den Kontakt vermeiden. Zu wenig ist dort über die Krankheit bekannt.

Die zweite Familie hat uns noch mehr berührt. Auch hier liegt Müll im Hof. Ein Mädchen spielt mit einem alten Autoreifen. Ein Junge knabbert an einem Holzstück. Wir trafen die Ehefrau, 41 Jahre jung. Sie hatte 10 Schwangerschaften, davon 3 Fehlgeburten. Bei der vorletzten Schwangerschaft, vor 4 Jahren, hat AMPO in der Krankenstation bei einer Routineuntersuchung festgestellt, dass sie HIV positiv ist. Seitdem versuchen die Kolleginnen des VIIMDE-Projektes, sie davon zu überzeugen, beim Projekt dabei zu sein. Aber sie hat Angst. Ihr Ehemann weiß es noch nicht. Und wir wissen auch nicht, ob er infiziert ist, oder die Kinder. AMPO hat angeboten mit ihm zu sprechen. Es ist eine sehr sensible Situation, denn sie weiß nicht, wo sie sich angesteckt hat. Sollte er nicht infiziert sein, besteht die Gefahr, dass die Frau verstoßen wird, ihre Kinder verliert, alles, was sie besitzt – wenn dies auch noch so wenig ist.

Lucas und ich besuchen das Kinderkrankenhaus Charles de Gaulle. DEVELOPmed.aid finanziert die medizinische Behandlung, das Beschaffen der Medizin und den Aufenthalt von Kindern. Und jetzt wird mir das Ausmaß des Gesundheitswesens in BF bewusst!

Kein Arzt rührt nur einen Finger, bis die Finanzierung geklärt ist. Es gibt für die Kinder kein Essen, keine Getränke, keine Medizin. Eltern sitzen auf den Höfen des Krankenhauses und kochen für ihre Kinder die Mahlzeiten. Was für Kinder liegen in diesem Krankenhaus?

Mich empfängt herzzerreißendes Geschrei. Kinder, Säuglinge, mit Brandverletzungen am gesamten Körper, schreien vor Schmerzen. Verbranntes Fleisch bis auf die Knochen. Sie fallen aus den Tragetüchern der Mütter in das Feuer oder heiße Wasser von Straßenküchen.

Kinder mit Knochenbrüchen, die sehr wahrscheinlich von den Mopeds gefallen sind. Sehr oft haben wir im Straßenbild Frauen mit zwei bis drei Kindern fahren sehen. Oder Kinder mit Infektionen wie Malaria oder HIV. Aber auch eine Kinderkrebsstation haben wir gesehen.

Felix, Mitarbeiter von AMPO, führt uns durch die einzelnen Abteilungen. Er wird von den Ärzten angerufen, wenn die Finanzierung nicht gesichert ist. Er überprüft mit Hilfe der AMPO-Krankenstation die Rezepte, um Korruption und Diebstahl zu vermeiden. Zu schnell verschwinden die so notwendigen Medikamente. Ich bekomme einen Einblick in die Arbeit von DEVELOPmed.aid, und ich bin dankbar, auch wenn das jetzt merkwürdig klingen mag, dass ich diese Erfahrung machen durfte und Lucas mich mitgenommen hat.

Auch wenn mich diese Bilder mein Leben begleiten werden, kann ich doch jetzt authentisch von dieser Not berichten. Fotos von diesen Kindern werden von uns nicht veröffentlicht.

Danach fahren wir in die Rollstuhlwerkstatt. Und uns empfängt der lebensfrohe Leiter Edouard, der durch Kinderlähmung ebenfalls an einen Rollstuhl gebunden ist. Aber nur er kann genau beurteilen, was für den Umbau eines Rollstuhls oder eines Motorades notwendig ist. Es wird geschweißt, gehämmert, geschraubt – und alle haben ein erfrischendes Lächeln im Gesicht. Mir fällt es gerade ein wenig schwer mich auf diese Stimmung einzulassen, zu präsent sind die Bilder von eben.

Hier wird man mit anderen Schicksalen konfrontiert.

In einer separierten Hütte erhalten junge Menschen eine zweijährige Ausbildung, zur Herstellung dieser Rollstühle und Motorräder, ebenfalls alle mit einem Handicap. Ein wunderbares, einzigartiges Projekt. Und wir wohnen der feierlichen Zeremonie der Übergabe bei.

Rückfahrt zum Hotel.

Der übriggebliebene Nachmittag ist „frei“. Und wir brauchen alle die Zeit, um diese Bilder zu verarbeiten.

Abends hatte uns Katrin zusammen mit allen Direktor:innen zu sich nach Hause eingeladen. Es gab eine wunderbare Gemüse-Bohnensuppe, doch sollte auch dieser Abend mit vielen Emotionen enden.

Leider wurde ein Fahrer von uns in einen Unfall verwickelt. Ein etwas größeres Moped ist aufgefahren, und der Fahrer wurde auf die Straße geschleudert. Schnell war erkennbar, dass es ihm nicht gut ging. Ein Bein war gebrochen. Unsere erste Reaktion: Aussteigen und helfen. Nein. Bitte keine Weißen auf die Straße bei Dunkelheit, eher Autotüren verriegeln. Unsere Fahrer waren in der Zwickmühle. Weiße im Auto, Opfer am Straßenrand – keine Ambulanz konnte kommen, denn es waren ja keine Kosten geklärt. Unfassbar. Der Mann wurde mit einem anderen Auto ins Krankenhaus gebracht und lag bis zum darauffolgenden Mittag unbehandelt und ohne Schmerzmittel auf einer Station. Der Vater des Opfers brachte ein Teil der Kosten auf, und AMPO übernahm die Differenz, obwohl unseren Fahrer keine Schuld traf. Tief betroffen saßen wir alle im schönen begrünten Innenhof unseres Hotels. Und wieder versuchten wir zu begreifen und zu verarbeiten.

20.01.2023 - Budget-Besprechung, Markt und Residenz des deutschen Botschafters

Dieser Tag sollte ruhig beginnen. Wir merken, dass wir nun fast alle Projekte gesehen haben. Es gab Zeit, sich noch einmal mit den Verantwortlichen über das Budget auszutauschen.

Und dann kam ein unerwarteter Termin, der uns sehr beeindruckt hat:

Ein neuer Verein hat sich im Oktober 2022, nach zweijähriger Antragsphase, gegründet: KAM NOGLOOM DES ANCIENS ENFANTS DE AMPO – Frei übersetzt: Verein der ehemaligen AMPO-Kinder.

Ca. 140 ehemalige Kinder haben sich zusammengetan, um sich gegenseitig zu unterstützen. Falls ein Jugendlicher bzw. eine Jugendliche, nach Verlassen des Waisenhauses, Probleme mit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft hat, kann er bzw. sie sich an diesen Verein wenden.

Was für eine wunderbare Initiative! Uns zeigt diese eigene Initiative einmal mehr, wie nachhaltig die Projekte funktionieren.

Einen Abend später erhielten wir dann von ihnen Geschenke, zur Erinnerung an dieses gelungene Treffen.

Und auch der Nachmittag war entspannt. Jeder konnte entweder ruhen, Gedanken sortieren oder ein wenig abschalten, bevor es dann am Abend in die Residenz des Deutschen Botschafters ging. Was für ein netter, lockerer, entspannter Abend. Bei Quiche, Pizza, Wein und Bier saßen wir in gemütlicher Runde und durften dem Botschafter Löcher in den Bauch fragen. Das Verhältnis zu diesem Ehepaar ist sehr vertraut, und wir finden es mehr als schade (gerade für AMPO in Ouaga), dass die Amtszeit im Sommer endet.

21.01.2023 - Sightseeing und Fest in den Waisenhäuser

Sightseeing – ja, das kann man durchaus machen!

Thomas Sankara, ehemaliger Präsident von Burkina Faso, war ein Präsident, in den das Volk sehr viel Hoffnung gesetzt hatte, bevor er und viele seiner Begleiter 1987 ermordet wurden. Jahrelang durfte dieser Name nicht ausgesprochen bzw. erwähnt werden.

Die Zeit hat sich verändert. Ihm zu Ehren wurde ein Denkmal errichtet. Rund um das Denkmal ist Großes geplant. Ein Turm mit 87 m Höhe (87 m symbolisieren das Sterbejahr) soll entstehen, ein Park zum Flanieren wird angelegt. Wir besichtigen das Pavillon Burkina Faso, in dem das Attentat stattgefunden hat.

Weiter geht es zum Denkmal für nationale Helden. Da ich versprochen hatte eine Ansichtskarte aus Ouaga zu schreiben, legten wir einen unfreiwilligen Stopp an einem Markt ein. Bei 42°C Hitze wurde um 8 Ansichtskarten gehandelt. Geduld und Trinkwasser waren gefragt, aber letztendlich bekamen wir dann die Ansichtskarten. Die lange Fahrt zum Denkmal war umsonst, denn es hatte geschlossen. Ein paar Fotos von außen und schnell wieder rein in die Autos. Weiter ging es dann zum Kunsthandwerkermarkt: Schatten – wie angenehm.

Leider lief uns ein wenig die Zeit davon, gekauft haben wir trotzdem und viele Fotos gemacht. Wir können jetzt hier in Ruhe überlegen, welche Waren wir für unseren Laden in Berlin bestellen werden.

Um 16 Uhr wurden wir im Waisenhaus für Jungen erwartet. Und nun durften die Mädchen und Jungen zeigen, wofür sie in den letzten Tagen geübt hatten. Es war eine unglaublich schöne, lustige und ausgelassene Atmosphäre. Die Mädchen zeigten ihre Choreografie, begleitet von der Trommelgruppe, die Jungen jonglierten mit Kegeln und Bällen. Untermalt wurde das alles mit den Klängen der Balafone, die einige Jungen im Hintergrund spielten.

Und dann kamen die Spiele: Gefüllte Wasserbecher auf dem Kopf über einen Parkour balancieren, Eier auf einem Löffel im Mund ans Ende des Feldes bringen, ohne dass das Ei runterfällt – und wir kamen nicht darum herum mitzumachen. Und alles wurde mit Geschrei, Gejohle und Applaus der Kinder begleitet. Lucas gewann wieder das Herz der Kinder mit kleinen Zaubertricks.

Und eine Zeitlang waren alle vorherigen schrecklichen Bilder vergessen.

Zum Ende des Nachmittags gab es dann ein Barbecue. An über 140 Kinder und Jugendliche verteilten wir Baguettes mit Würstchen, Senf und Ketchup.

Als der Abend zu Ende ging, gab es für einige Mädchen kein Halten mehr. Wir wurden umarmt, geküsst, es wurde gelacht und gesungen. Und wir fuhren alle endlich mal mit einem Lächeln zurück ins Hotel.

22.01.2023 - Burkinabé Sängerin Thaliane bei AMPO

Einige Tage zuvor erhielt ich von der burkinischen Sängerin Thaliane eine Nachricht, dass sie zwischenzeitlich zurück in Ouaga ist. Wir hatten sie im Dezember in Berlin kennengelernt, und wir verabredeten damals lose, uns evtl. in Ouaga zu treffen. Die Freude war groß, dass sie daran gedacht hatte. Und so verabredeten wir uns für 10:30 Uhr im Mam Dunia. Wir alle fuhren früher zu AMPO, denn wir hatten Appetit auf das hervorragende Frühstück im Restaurant.

Thaliane kannte bisher nur AMPO als Krankenstation. Dénis erklärte ihr AMPO als Ganzes, und man merkte, dass sie sehr beeindruckt war. So führten sie Dénis und Marthe in die Waisenhäuser. Vor den Mädchen hielt sie eine flammende Rede: Gebt nicht auf, glaubt an euch, Bildung ist das aller Wichtigste, lernt für euer Leben und eure Selbständigkeit! Und die Mädchen hörten ergriffen zu.

Spontan sangen die Mädchen dann den AMPO-Song „Dépose ton arme“ (Leg deine Waffen nieder). Thaliane schien so ergriffen zu sein, dass sie spontan entschied mit den Kindern einen Song aufzunehmen. Das wäre zu schön, wenn das wirklich zustande käme.

Es hieß Abschied nehmen, denn Thaliane hatte noch eine 8-stündige Busfahrt in ihre Stadt vor sich. Danke, das war ein wunderbarer Besuch.

Zwei von uns fuhren ins Hotel zurück. Die anderen vier blieben in den Waisenhäusern und hatten noch einen wunderbaren Nachmittag mit den Kindern.

Zwei aus unserer Gruppe hatten ein Spiel mitgebracht – Blokus, mit sehr einfachen Spielregeln. Dies haben wir den Kindern erklärt, und es wurde fieberhaft gespielt. Man sah nur noch eine Traube von Kindern um den Tisch herum. Erst spielten sie mit den Jungs, und als die Mädchen kurz vor dem Mittagessen rüberkamen, auch mit den Mädchen. Währenddessen hat Lucas mit den übrigen Jungs getanzt, und Fußball gespielt. Sie waren begeistert von ihm. Beim Mittagessen konnten wir uns ein wenig unterhalten. Jede:r von uns saß an einem anderen Tisch. Und dann ging es los: wir sprachen nur wenige Brocken Französisch, die Kinder ein bisschen Englisch und sogar Deutsch. Aber es funktionierte! Sie waren neugierig: wo arbeitest du? Hast du Kinder? Wo wohnst du? Sie wollten alles wissen. Und wir haben mit Freude geantwortet. Mir haben sie ein paar Worte Moore beigebracht, die Sprache der Mossi, einer Ethnie in Burkina Faso. Wie freuten sie sich darüber, als ich versucht habe, die Worte auszusprechen. Wir hatten viel Spaß. Sie erzählten uns u.a., welchen Beruf sie erlangen wollen. Einer von ihnen möchte Journalist werden. Aber er spricht nur Französisch, und ein paar Brocken Englisch – kann man dann wirklich Journalist werden? Ja, es ist möglich, bekräftigte ich ihn. Französisch wird in vielen Ländern gesprochen. Und schon war seine Zuversicht wieder da. Dies habe ich sehr bewundert. Sie haben schreckliches erlebt, einen oder beide Elternteile verloren, man mag nicht überlegen unter welchen Bedingungen. Und dennoch haben sie diese Zukunftspläne. Toll!

Nach dem Essen sind wir mit den Mädchen ins Mädchenwaisenhaus gegangen. Nur Lucas blieb bei den Jungs. Es wurde wieder Blokus gespielt, und ein Mädchen hat mir aus ihrem Deutsch-Schulbuch vorgelesen. Ich war begeistert, wie fließend sie die Sätze gelesen hat, mit französischem Dialekt, es hörte sich toll an! Währenddessen wurden sie mutig. Sie berührten meine Haare. Meinen Arm, denn auch dort haben sie kleine Härchen gefunden. Dies kennen sie nicht. Sie strichen über die Fingernägel. Neugier. Und keine Berührungsängste. Nach einer Weile fingen sie an uns zu frisieren. Wir bekamen alle Zöpfe. Als unsere Fahrer kamen, um uns ins Hotel zurückzubringen, nahmen wir alle traurig Abschied. Viele Umarmungen gab es. Eigentlich wollten sie uns nicht gehen lassen, und eigentlich wollten wir auch nicht gehen. So schön war es, die Kinder in ihrem Alltag zu erleben. Zu sehen, wie sie miteinander umgehen, so voller Rücksicht. Eine Familie, ja das sind sie geworden.

Ich fing an Koffer zu packen, denn am nächsten Abend ging es zurück nach Hause.

23.01.2023 - Mikrokredite, Abschiedsessen

Auschecken. Mit den gepackten Koffern ging es zu AMPO. Dort hatten sie uns die Gästezimmer vorbereitet, damit wir uns später noch frisch machen konnten.

Am Vormittag erwartete uns ein weiterer Programmpunkt. Wir besuchten Frauen, die einen Mikrokredit erhalten hatten. Mikrokredite sind für Frauen Schritte in die Unabhängig- und Selbständigkeit in verschiedenen Bereichen. So trafen wir Friseurinnen, Verkäuferinnen von Kolanüssen, Dolo-Bier und Küchenutensilien, Köchinnen, die ihr Essen an der Straße zubereiten. Diese Besuche führten uns teilweise in ihr zuhause, in die tiefste Armut, die ich mir vorher nicht hätte vorstellen können. Mit dem Auto kamen wir nicht mehr weiter, und so liefen wir zu Fuß bei über 40 °C über die armen und vermüllten Wege, wo Ziegen frei rumliefen, und Plastiktüten fraßen.

In provisorischen Hütten leben sie teilweise zusammen mit 4 bis 8 anderen Familienangehörigen. Und nirgendwo hat man einen Vater der Kinder gesehen. Die meisten Väter sind gegangen, und so stehen die Frauen alleine da.

Eine Frau erzählte, dass ihr Sohn nicht zur Schule gehen kann, da keine Geburtsurkunde existiert. Diese gibt es nur, wenn der Vater unterschreibt. Der hatte sie aber schon während der Schwangerschaft verlassen, und keiner weiß, wo er ist. Ein Teufelskreislauf.

Wir saßen bei der Köchin im Schatten. Tausende von Fliegen umschwirrten den Kochtopf. Und ich ließ mein Blick über den Platz schweifen. Trotz dieser Armut beobachtete ich, wie respektvoll die Menschen miteinander umgehen. Man hört sich zu, lässt den anderen ausreden und scherzt miteinander – und alles bei dieser unsagbaren Armut.

Und ganz langsam trauten sich dann auch Kinder ein wenig näher, schauten aus ihren Hütten, beobachteten uns und kicherten.

Unweigerlich schmunzle ich auch.

Burkina Faso „Land der aufrechten Menschen“ – wie wahr!

Wir fahren zurück zu AMPO und treffen im Restaurant noch einmal auf (fast) alle Direktor:innen. Für uns wurde ein wunderbares Buffet zubereitet (Geflügel, Fisch, Fleisch mit Salaten, Saucen und diversen Beilagen).

Dénis und ich hielten eine Abschieds- und Dankesrede und wir erhielten Geschenke.

Wir haben zu danken, für diese wunderbare Organisation des Aufenthaltes, für die Gastfreundlichkeit und die Herzlichkeit, die uns umgab.

Ich glaube jeder von uns fühlte, dass wir mit unserer Arbeit etwas Richtiges und Wichtiges tun.

Und dann hieß es warten. Gegen 20 Uhr wurden wir von mehreren Direktoren zum Flughafen begleitet. Abschied.

Es war eine sehr emotionale Woche.

Danke für alles.

Merci beaucoup et à la prochaine.

 

Reiseteilnehmer:innen

Angelina Wiebe (Merck KGaA)

Elin Mundt (Begleitung)

Lucas Weber (DEVELOPmed.aid)

Thomas Pfeiffer (ehemaliger GF AHK-Pflegeteam GmbH)

Britta Sacadati (AMPO International e.V.)

Ute Krüger (GF, AMPO International e.V.)

 

Verfasserinnen:

Britta Sacadati, Ute Krüger

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