AMPO Ouagadougou
Tonholen mit MIA-Mädchen
(von Julian)
Die Sonne brennt.
Wenn ich auf den Boden schaue, sehe ich keinen Schatten, außer dem vom eigenen Kopf.
Es ist high noon im Outback von Burkina!
Umringt von sechs MIA-Mädels sitze ich auf der Ladefläche des weißen AMPO-Pickups.
Abdoulaye, der durch das offene Fenster von Mama-Ton, einer Frau, die in der Gegend wohnt, mit kurzen Worten geleitet wird, chauffiert uns mitten durch die Pampa, ohne jeglichen erkennbaren Weg .
Wir haben eine Mission. – Ton für die MIA-Töpferei holen.
Immer wieder nimmt unser Auto eine für mich bedrohliche Schräglage ein, da rutscht mir beim Durchqueren eines der zahlreichen, ausgetrockneten Bachbetten schon mal das Herz in die Hose.
Aber die Mädels um mich herum lachen nur und hocken freihändig auf dem Boden der Ladefläche, während sie irgendwie einen Plastikbecher zu ihren Füßen balancierend Hülsenfrüchte (hier Néré genannt) schälen und den süßlichen, gelben Inhalt im Becher sammeln. Derweilen ich, mit beiden Händen am Geländer festgeklammert, versuche, stehend Gleichgewicht zu halten und etwas verkrampft zu einer mir angebotenen Néré greife.
Irgendwann kommen wir dann an einen Ort von dem ich mir sicher sein kann, alleine nie wieder zurück zu finden. Der Wagen wird im Schatten eines dieser weit ausladenden, typisch afrikanischen Akazien abgestellt und während ich noch etwas verspannt von der Ladefläche klettere haben sich die Mädels schon, mit Spitzhacken und Schaufeln gewappnet, schnatternd auf den Weg gemacht.
Nico und ich bleiben erst einmal im Schatten des Baumes sitzen und trinken einen Plastikbeutel Wasser.
Der halbausgetrocknete Körper reagiert bei dieser Hitze äußerst intensiv auf Flüssigkeitszunahme. Wenn ich länger nichts getrunken habe, hört mein Körper auf zu schwitzen, auch bei 45 Grad im Schatten. Nehme ich dann Wasser zu mir denkt er anscheinend, dass ich nun an einer unerschöpflichen Quelle frischen Wassers sitze und beginnt innerhalb weniger Sekunden all den aus Sparsamkeit nicht ausgeschwitzten Schweiß loszuwerden. Heißt: Unterarme, Hände, Gesicht, Finger, ja ich fürchte es gibt keine Körperregion, die dann nicht wie wild das eben eingenommene Nass rausdrückt. Wahrscheinlich sogar mehr als nur das, weshalb wir uns ernsthaft gefragt haben, ob Trinken wirklich von Nutzen ist…
Das schlechte Gewissen treibt uns aber nun doch zu den arbeitenden Mädels unter die Mittagssonne. Schließlich sind wir ja Männer und sollten uns nicht die Blöße geben, dass fünf Jahre jüngere Mädchen, die womöglich erst vor kurzem entbunden haben Bauarbeiterarbeit verrichten, während wir im Schatten sitzen.
Und es ist wirklich Knochenarbeit. Der Ton befindet sich nämlich nicht an der Oberfläche – klar das wäre zu einfach. Mit Spitzhacken bearbeiten die jungen Frauen eine fünfzig Zentimeter dicke, von der brennenden Sonne steinhart gebackene Erdschicht oberhalb des begehrten Tones. Dieser wird dann in kleine Stücke gehackt und mit Eimern zu bereitliegenden großen Säcken auf der Ladefläche des Pickups gebracht.
Nico und ich helfen mit, wie wir eben können.
Das ist nicht viel – und wird bei mir schnell mit Blasen an den Händen, weiteren Schweißausbrüchen und rotem Kopf belohnt.
Wo nehmen diese Mädchen die Kraft her, einige Zentner Ton und Erdmasse zu bewegen, – das alles noch in der knallenden Mittagssonne?
„Nächste Woche? Nein, das geht nicht“, sagt „Mama Ton“ in einer kurzen Verschnaufpause auf meine Frage, wann wieder Ton geholt würde, weil ich meine Kamera vergessen und gerne Bilder davon machen würde, „Der Ton ist nur an bestimmten Tagen da. Wir kommen erst wieder nächsten Monat hierher, nächste Woche würden wir keinen finden.“
Unlogisch für einen Europäer. Wieso sollte der Ton nächste Woche nicht da sein? Das ist doch Schwachsinn!
Wieso sieht es bei einer kleinen afrikanischen Frau aus, als würde der Eimer halb so viel wiegen, wie wenn ihn ein junger weißer Mann trägt?
Es muss ja nicht immer alles logisch sein – C’est l’Afrique