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Geburtstag

(von Julian)
Es ist später Nachmittag. Ich sitze mal wieder im Schatten des runden Refektoriums in der Mitte der Anlage AMPO ANNEXE. Alle Mädels haben sich versammelt. Aufgeregt diskutieren die Größeren auf Moree oder irgendwelchen ihrer zahlreichen anderen Dialekte und Sprachen durcheinander. Die Kleineren wuseln hin und her, qietschen und lachen noch mehr als sonst.

Ich verstehe kein Wort und begreife erst, nachdem Bernadette unter Gejohle aus der Küche – ihrem Arbeitsplatz – unter das Dach des Refektoriums begleitet wird. Heute ist ihr achtzehnter Geburtstag. Und nichts ist von leisen, ängstlich genierten Kinderstimmchen zu hören, wie das in Deutschland oft der Fall ist. Im Chor schmettern alle zusammen eine Strophe des Geburtstagsliedes nach der anderen heraus.

Es folgt die Übergabe der Geschenke bestehend aus
1 selbstgemachten Holzfigur,
1 parfümierten Plastikblume
und, den Lautstärkepegel noch einmal in nie da gewesene Höhe treibend, –
1 hellblaue Spitzen-Unterhose!! (Wahnsinn!)

Dieses (brisante!!) Geschenk haben sich die Großen ausgedacht, die jetzt zu sechst Bernadette im Arm halten und sich wild gestikulierend, das schöne Stück immer wieder hochwerfend vor Lachen gar nicht mehr halten können. Das Gespräch läuft zwar auf Moree, aber man kann sich denken, um was es geht.

(Es ist klar, dass die Welt hier in Burkina eine andere ist, als in Deutschland, aber ist es nicht bemerkenswert, dass die drei oben aufgezählten Geschenke dem 18 jährigen Geburtstagskind die Tränen in die Augen treiben und sie überglücklich strahlen lassen?)

Nach einigen Minuten für die Großen kommt der Augenblick, auf den die Kleinen schon ungeduldig warten. Wie jedes Geburtstagskind hier bei AMPO, verteilt jetzt auch Bernadette kleine Kuchen an alle. Mehr oder weniger geordnet und artig wird sich angestellt und die begehrte Süßigkeit in Empfang genommen. Und wie immer werde ich von allen Seiten eingeladen. Selbst die Kleinsten strecken mir, bereitwillig zu teilen, ihr lang ersehntes Küchlein entgegen. Der ganze Spuk dauert ungefähr eine halbe Stunde – dann wendet sich alles wieder dem alltäglichen Leben zu.

Wo spielt sich das Leben ab? – In der Küche!
Wo ist die AMPO-Küche? – Bei AMPO ANNEXE – bei den Mädels!
Das, was sich ein jeder unter einem romantischen, afrikanischen Dorfleben vorstellt – Frauen, die in großen Holzkrügen Mais oder andere Nahrungsmittel mit einem Hirsestampfer zerkleinern – und das dazugehörige, rhythmische Geräusch des stampfenden Holzes, ist hier alltägliche Arbeit – nicht auf dem Dorf, sondern in der Hauptstadt Ouagadougou.

Und irgendetwas gibt es immer vorzubereiten. Da muss Trockenfisch, der als Geschmacksverstärker den Fischreis „aufpeppt“ (für mitteleuropäische Geschmacksnerven mag dies in Anführungszeichen gesetzt sein) sortiert und zerkleinert werden.
Frisch von der Farm Tollsa angekommene Auberginen werden zusammen mit Kürbissen und anderem Gemüse in einen der riesengroßen Hordentöpfe geschnippelt. Hierbei wird kein Schneidebrett oder dergleichen verwendet. Alles wird mit großen Messern in der offenen Hand zerkleinert.
Keine leichte Aufgabe dreimal täglich die über einhundert hungrigen Mäuler stopfen.
Zu Essen gibt es immer unterschiedliche Grundlagen, wie Reis, Spaghetti oder Tô („Maismehlpudding“). Letzteres ist, nach Übereinstimmung aller Nicht-Afrikaner hier, eindeutig das Gewöhnungsbedürftigste!
Dazu verschiedenste Soßen: Erdnuss-, Fisch-, Fleisch- oder Gemüsesoßen – Alles über dem offenen Feuer zubereitet.

„Eigentlich müssen wir nicht in der Küche mithelfen“ erklärt mir die sechzehnjährige Nina,
dennoch greifen sie alle, von groß bis klein, den drei Köchinnen ordentlich unter die Arme.
Schließlich ist es ein Vergnügen in einer Runde um die Feuerstellen zu sitzen, Gespräche zu führen, Gemüse zu schneiden und …
… „Julien, le fou! – (Julian, du Dummkopf)“, werde ich von der kleinen Balkissa aus meiner produktiven Phase gerissen, “was machst du da eigentlich? Gib mir das Messer!“
Und unter allgemeinen Jubelrufen (hier wird immer lautstark an belustigenden Ereignissen teilgenommen) muss ich mir von einer der Jüngsten (!) zeigen lassen, wie man die Auberginen richtig anpackt.

Es ist nicht leicht, Worte für diesen bunten Haufen dickköpfiger, freundlicher und stolzer Mädchen zu finden. (Schon gar nicht für ein männliches Wesen !!!;-)
Sie alle werden, man sieht es an den Älteren, zu selbstbewussten eigenständigen Frauen heranwachsen. Beeindruckend.

Julian

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