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Orden, Weihnachten, Tabaski…

Liebe AMPO-Freunde und -Unterstützer,

Nun will ich nach über zwei Monaten Winterpause mal wieder ein großes Stück Chronologie nachholen. Denn dass ich nicht berichtet habe, lag nicht daran, dass nichts passiert wäre, sondern eher andersrum daran, dass so viel passiert ist.

Das fing gleich nach meinem letzten Brief spektakulär an:

Am 11. Dezember, dem burkinischen Nationalfeiertag, werden traditionell die nationalen Orden vergeben. In der Residenz des Präsidenten tummeln sich dann Generäle, Minister, Wirtschaftsgrößen, – und dieses Jahr auch Katrin Rohde. Für ihre Verdienste um die Waisenkinder und andere Benachteiligte des Landes bekam sie den „Ritterorden für nationale Dienste“; die zweithöchste Auszeichnung, die hier offiziell an Zivilpersonen vergeben wird. Obwohl sie, wie es ihre Art ist, diese Ehre natürlich ständig herunterspielte, war es trotzdem ein Grund, richtig groß zu feiern. Neben den wichtigsten eigenen Landsleuten, die laut hiesiger Sitte bei einem solchen Anlass eingeladen werden müssen, profitierten davon natürlich auch wir alle, und zuallererst die AMPO-Kinder. Im weihnachtlich illuminierten Hof des Mädchenwaisenhauses wurden für die offiziellen Gäste und das Personal Getränke und kulinarische Köstlichkeiten aus dem AMPO-Restaurant serviert und die Kinder feierten ihre Tanzparty. Das fröhliche Nebeneinander dauerte aber angesichts der Anzugskraft der guten Stimmung auf der Tanzfläche nicht lange und von Botschafter bis Erzieher legten vom frühen Abend bis kurz vor Mitternacht fast alle noch die eine oder andere kesse Sohle aufs Parkett. Auch wenn die Geehrte sich aus der Auszeichnung nicht viel macht – Kinder und Mitarbeiter von AMPO hätten sicher nichts gegen noch einen Orden einzuwenden!

Nach diesem rauschenden Fest freuten sich alle auf das zwei Wochen später geplante Weihnachtsfeier, die, wie ich schon in Deutschland erfahren hatte, alle anderen Feste in den Schatten stellen sollte. Doch diesmal wurde uns die Freude am Feiern kurz vorher genommen. Am frühen Morgen des 23. Dezember starb zum ersten Mal in der fast 10-Jährigen Geschichte von AMPO eines unserer Kinder. Der 14-jährige Issaka Sawadogo, der schon seit einigen Wochen mit einer lange verschleppten Bilharziose im Krankenhaus gelegen hatte und erst wenige Tage vorher für einen Nachmittag seine Brüder und Schwestern bei AMPO besucht hatte, starb trotz bestmöglicher ärztlicher Versorgung an seiner Krankheit, nach dem sich sein Zustand am 22. Dezember plötzlich stark verschlechtert hatte.

Wie immer kam ich an diesem Morgen zu AMPO, doch jeder Besucher hätte sofort gespürt was passiert war. Einen ganzen Tag lang geschah nichts, das Büro blieb geschlossen. Jeder trauerte auf seine Weise, suchte den Zusammenhalt mit den besten Freunden, setzte sich schweigend in eine Ecke oder tauschte Eindrücke von dem, wie sich jetzt herausstellte, Abschiedsbesuch einige Tage vorher aus. So eine ehrliche, ruhige Trauer hatte ich bis dahin noch nirgendwo erlebt. Das ist wohl ein Teil von Afrika, der uns Europäer nur staunend stehen und zusehen lässt.

So wurde Weihnachten dieses Jahr nicht gefeiert. Am ersten Weihnachtstag wurde gegessen, was vorbereitet war und an Sylvester wurden die schon verpackten Geschenke an die Kinder verteilt. Natürlich haben sie sich gefreut und gelacht, aber eine Feststimmung kam zwischen diesen Jahren nicht auf. Auch die für Silvester von den größeren Jungs geplante Tanzparty wurde auf den April verschoben.

Das alles machte diese Zeit für mich natürlich nicht leichter. Plötzlich vermisste ich den vorher gehassten Vorweihnachtsrummel, das Lichterblinken, den Weihnachtsduft, und nicht zuletzt die Winterkälte. Da war es schön, mit dem Praktikanten Matthias, dem SEWA-Zivi Jann und deren Familien bei Wein und gutem Essen ein bisschen Heimat zu fühlen.

Vor Sylvester war ich dann schon wieder unterwegs, wovon ich viele schöne Eindrücke beschreiben könnte, aber wir sind ja hier erst im Dezember und es soll noch Platz für die Ereignisse bis heute bleiben. Also nur soviel: Zwischen Weihnachten und Silvester habe ich vier Wunderschöne Tage Urlaub in Banfora, im Südwesten Burkina Fasos verbracht. Jedem der mal nach Westafrika kommt, kann ich nur wärmstens empfehlen, sich Nilpferde, Wasserfälle und eine wunderschöne grüne Landschaft nicht entgehen zu lassen.

Meine erste Grillparty zu Silvester, mit gut zehn Leuten in meiner kleinen Wohnung, war danach der perfekte Anlass, um wieder in die Hauptstadt zu kommen. Das echte Hauptstadtflair habe ich noch nie so deutlich gesehen, wie zu diesem Jahreswechsel, als scheinbar jeder Einwohner von Ouagadougou auf dem Weg von einer Party zur nächsten war.

Weil hier Muslime und Christen alle ihre Feste gemeinsam feiern, gabs am 10. Januar dann schon den nächsten Feiertag: Tabaski, das Schafschlachtfest der Muslime. Was sich mit der Fernsehübertragung unglaublich riesiger Pilgerzüge aus Mekka ankündigte, war auch in Ouagadougou mit einigen tausend Menschen beim großen Gebet auf dem zentralen Platz der Stadt sehr eindruckvoll. Danach wurden auch bei AMPO zwei Böcke auf die traditionelle Weise geschlachtet und schon zum Mittagessen gab es das frischeste Lammfleisch zum Reis, das ich je gegessen habe.

Ende Januar flog dann mein Arbeits- und Freizeitgefährte Matthias leider schon zurück nach Deutschland. Bis dahin dachte ich, dann würde mein Leben hier vielleicht langweiliger, oder sogar einsam. Aber weit gefehlt: Mittlerweile fühle ich mich unter den Mitarbeitern von AMPO schon so wohl, so heimisch, dass ich aufpassen muss, auch mal eine Einladung abzulehnen und ein bisschen Ruhezeit für mich zu haben. Genauso geht es mir mit den Kindern, die mich ständig dazu bringen erst am späten Abend nach Hause zu fahren, weil sie noch mit mir Musik hören, Briefe schreiben oder einfach nur toben wollen. Da fällt es mir schwer, auch noch genug Zeit für burkinische, französische und deutsche Freunde aufzubringen und ich merke schon nach gut fünf Monaten, dass die geplanten dreizehn ziemlich kurz werden?

Liebe Grüße, Matthias Schuchard, Zivildienstleistender bei AMPO

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