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Zivi-Rundbrief

Liebe Spender, AMPO -Unterstützer und -Interessierte

Mir ist zu Ohren gekommen, dass ich mich im ersten Brief noch gar nicht vorgestellt hätte. Das ist wahr! Um diese Unhöflichkeit schnell wieder gutzumachen, möchte ich das eben nachholen:

Mein Name ist Jonathan Neuhoff, ich werde in diesem Monat 20 Jahre alt und bin den Großteil meines Lebens in München aufgewachsen. Im Sommer dieses Jahres habe ich mein Abitur erfolgreich gemeistert und mich sogleich in die Vorbereitungen auf mein Jahr bei AMPO gestürzt. Am 1. September habe ich zum ersten Mal afrikanischen Boden betreten und seither schlage ich mich als Zivildienstleistender des Waisenhauses AMPO durch, in einer Welt und einem Projekt, das mich immer wieder staunen lässt und mir Horizonte eröffnet, vom denen ich vorher nur träumen konnte.

So, da nun die Förmlichkeiten erledigt wären, möchte ich mich wieder meinen Eindrücken und Erlebnissen widmen und Ihnen von diesen erzählen:
Eigentlich hatte ich ja versprochen über meine Arbeit bei AMPO zu berichten, doch da ich vor einigen Wochen der Malaria erlegen war, hatte ich eher damit zu kämpfen, wieder auf die Beine zu kommen, als dass ich viel arbeiten konnte. Insofern werde ich in diesem Rundbrief von zwei Krankenhausgeschichten berichten, die eine habe ich erzählt bekommen, die andere selbst miterlebt.

Zunächst die Geschichte, die mir von Lena, unserer derzeitigen Praktikantin, erzählt wurde. Sie war mit einem unserer Betreuer unterwegs, um Sachen in der Stadt zu besorgen und als alles erledigt war, fragte er sie, ob sie nicht noch kurz bei seinem Onkel im Krankenhaus vorbeifahren könnten, um ihm einen Besuch abzustatten. Sein Onkel läge im Koma und man wisse nicht, ob er je wieder aufwachen würde. Angekommen beim Krankenhaus, stellte sich heraus, dass sie nicht die einzigen Besucher des Onkels werden würden. Der Vorplatz des Krankenhauses war überfüllt, überall tummelten sich Leute, es herrschten Zustände, wie auf einem Campingplatz zur Hauptsaison am Gardasee. Als sie ihn fragte, ob hier immer so viel los sei und all diese Leute auf eine Behandlung warteten, antwortete er, „Nein, nein, das ist das Dorf meines Onkels, das in die Stadt gefahren ist, um meinen Onkel zu besuchen und auf ihn aufzupassen. Die verbringen hier Tag und Nacht, und sie reisen erst in ein paar Tagen wieder ab.“

Die zweite Geschichte handelt von meinem eigenen Krankenhausaufenthalt. Vor einiger Zeit schon, hatte ich immer mal wieder kurze Fieberschübe, die zwar oft recht heftig ausfielen, jedoch nach 2 Stunden vorüber waren. Doch an einem Mittwoch ging das Fieber hoch bis 40,5, da fackelte Katrin nicht lange und brachte mich schnurstracks ins Krankenhaus. Dank des großen Bekanntheitsgrades von Katrin dort, hatte ich innerhalb von 20 min einen Tropf im Arm, ein eigenes Zimmer und war voll gestopft mit Malariamedikamenten und Antibiotika. Drei Tage verbrachte ich in meinem Einzelzimmer, doch es gab Tag und Nacht jemanden von AMPO, der auf einer Matte neben meinem Bett schlief, um auf mich aufzupassen. Von überall her kamen Besuche oder Anrufe von Mitarbeitern und Freunden. Es war wirklich bezaubernd, wie man sich um mich kümmerte.

Beide Geschichten zeigen eine der eindrucksvollsten Eigenschaften dieses Landes: man ist hier nie allein, es gibt immer jemanden, der sich um einen kümmert und einem auf die Beine hilft, wenn es einem schlecht geht.
Dass Leute alleine in ihren Wohnungen sterben und erst Wochen später gefunden werden, wie es bei uns in Deutschland an der Tagesordnung ist, passiert hier niemals und ist für jeden Afrikaner völlig unvorstellbar.
Allein gelassen zu werden in diesem Land bedeutet ungefähr das gleiche wie Sterben. Deshalb nimmt die Familie hier den höchsten Stellenwert ein, denn die Familie gibt Halt, finanzielle Unterstützung, sie ist ein Zufluchtsort und vieles mehr. Wer seine Familie verliert oder noch schlimmer, von seiner Familie verstoßen wird, der hat nichts mehr und dem steht ein besonders hartes Leben bevor.

Somit ist mir auch erst wirklich bewusst geworden, welchen unschätzbaren Wert und welche große Chance die Institution AMPO in einem Land wie Burkina Faso in sich birgt. Bei AMPO finden Kinder oder auch verstoßene Frauen, die ihre Familie verloren haben, ein neues Zuhause, eine neue Familie, eine neue Zukunft.

Wenn ich morgens zu AMPO fahre habe ich manchmal das Gefühl, ich würde in einem großen afrikanischen Familienbetrieb arbeiten. An dessen Spitze steht die Mutter von allem, Mama Tenga, die versucht so gut wie möglich alles im Blick zu haben und die Familie zusammenzuhalten. Ältere Mitarbeiter sind wie Tanten und Onkels, die Jüngeren wie Cousins und Cousinen und die Kinder sind wie ein großer Haufen kleiner Brüder und Schwestern, mit denen man wunderbar Spaß haben und toben kann, denen ich als großer Bruder aber auch ein Vorbild bin und auf sie Acht geben muss. Jedes Jahr nimmt Familie AMPO einen Austauschschüler aus Deutschland auf (alias der Zivi), der sich schon nach kurzer Zeit wie ein weiteres Familienmitglied fühlen darf. Wie in jeder anderen afrikanischen Familie hilft man sich aus, achtet aufeinander, sorgt sich um den anderen, feiert und trauert, lacht und weint zusammen.

Besonders diese familiäre Stimmung ist es, die mir das anfängliche Einleben in dieser neuen Welt so erleichtert hat und mich immer wieder zu AMPO zieht, obwohl die Arbeitszeiten schon längst vorüber sind. Es ist wahrscheinlich auch eben diese familiäre Stimmung, die jedem Mitarbeiter und Kind immer wieder neue Kraft gibt und dieses Projekt bisher so erfolgreich gemacht hat.

Soweit so gut. Es beginnt die Weihnachtszeit und damit auch ein Haufen Arbeit, in die ich mich jetzt stürzen werde. Im letzten Brief hatte ich, so weit ich weiß, eine Internetseite mit Fotos angekündigt. Leider funktioniert diese Seite nicht mehr, ich werde mich aber darum kümmern und hoffe, dass ich schon bald eine Lösung finden werde.

Ich hoffe Sie feiern Ihr Weihnachten wie wir hier – in der Familie!

Ich wünsche allen eine schöne Adventszeit und ein frohes Fest.

Viele Grüße aus Ouagadougou

Jonathan ‚Johnny’ Neuhoff
Zivildienstleistender AMPO

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